29. Oktober 2008

28. Oktober 2008

An die Prinzessin Charlotte von Hessen-Darmstadt



Am 9.Mai (1784)

Ich werde Ihr Geheimnis getreulich wahren, kann aber den Prinzen Georg nicht abreisen lassen, ohne ihm wenigstens alle meine Wünsche für Ihr Wohlergehen und Glück mitzugeben. Sie können sich nicht vorstellen, wie lebhaft ich mich mit ihrer Heirat von dem Augenblick Ihrer Mitteilung an beschäftige; die Zwischenzeit benützen
Sie wohl und vor allem Ihren Einfluss auf den Prinzen von Mecklenburg, um Ihr Leben in der Zukunft so glücklich wie möglich gestalten und insbesondere Ihre Verwandten so oft wie möglich sehen können. Ich will gar nicht von einer anderen Reise sprechen, die ich sehr gerne sähe, denn ich könnte selbstsüchtig erscheinen und ich will mich doch heute nur mit Ihnen und Ihrem eigenen Glück beschäftigen. Ich stelle Sie mir bereits von Ihren fünf Kindern umgeben vor; sie dürfen bei einer solchen Stiefmutter* (sic) einer glücklichen Zukunft entgegensehen. Leben Sie wohl, der Herr Prinz Georg wird wohl alle meine Grüße an die Ihrigen bestellen. Ich lasse ganz besonders die Erbprinzessin, mein Leben Lang auf meine zärtliche und unwandelbare Freundschaft zu zählen.


Antoinette

Mai 1780

Liebe Prinzessin!
Ich will um ¾ ein Uhr auf einer Spazierfahrt nach dem Wald bei Ihnen vorbeikommen; ich habe eine Hofdame bei mir, also nur noch Platz für zwei. Wenn Sie mit einer Ihrer Schwestern bereit sein wollen, will ich Sie im Vorbeifahren mitnehmen. Kleiden Sie sich nicht erst an und setzten Sie keine großen Hüte auf, wir fahren im leichten Wagen.
Guten Morgen, recht herzliche Küsse

Antoinette

Liebe Prinzessin!
Es ist reizend von Ihnen, dass sie mein Ihnen übersandtes Bildnis schön finden. Hoffentlich erinnert es Sie oft genug an eine, die Sie zärtlich liebt. Es täte mir außerordentlich leid, wenn Sie sich die Mühe gäben, mich aufzusuchen, da ich nicht einmal bestimmen kann, ob ich morgen oder übermorgen nach Tische daheim bin. Leben Sie wohl, ich bin nicht zu Hause und schreibe dies auf einem Knie, habe also nur noch Zeit genug, sie herzlich zu umarmen und zu küssen.

Antoinette


*Schwiegermutter, Stiefmutter - belle-mère

26. Oktober 2008

Die kleinen Schlösser der großen Fürsten


Marie Antoinette bekam von Ihren Gatten Louis Auguste das Petit Trianon geschenkt.
Seitdem beschäftigte sie sich mit der Verschönerung der Gärten während sie im Gebäude selbst nicht die mindeste Verbesserung, so wie auch nicht die geringste Veränderung am Mobiliar vornehmen ließ, obwohl letzteres bereits ziemlich schlecht geworden war und im Jahre 1789 sich noch genau in demselben Zustand befand, wie unter der Regierung Louis XV..
Alles ohne wurde beibehalten. Die Königin schlief in einem unscheinbaren Bett, das sogar schon von der Gräfin Du Barry (!!) gebraucht worden war. Der Vorwurf der Verschwendung, den man allgemein der Königin gemacht hat, ist der unbegreiflichste unter allen den Irrtümern, die über ihren Charakter in der Welt verbreitet worden sind.
Sie hatte ganz denn entgegen gesetzten Fehler, und ich könnte beweisen, dass sie die Sparsamkeit bis zur Knickerei trieb, die zumal an einer Fürstin tadelswert war. An dem zurück gezogenen Leben in Trianon fand sie viel Geschmack. Sie begab sich dahin gewöhnlich ganz allein, in Begleitung eines einzigen Lakaien; aber sie fand dort eine Dienerschaft zu ihrem Empfang bereit, nämlich einen Kastellan und seine Frau, die dann bei ihr die Stelle einer Kammerfrau vertrat, ferner Kammerfräulein, Schlossburschen usw.

Mme Campan







Ihr Bruder Joseph II., Kaiser von Österreich, ein Freund des Understatements,ließ nach dem Vorbild eines pariser Palais, 1775 im Augarten eine kleine Villa nach seinen persönlichen Wünschen bauen.
Das Palais Augarten, das Hauptgebäude, ist noch heute der Sitz der Manufaktur Augarten Porzellan, die schon seit 1712 in diesem Palais das berühmte Pozellan herstellt. Die angrenzenden Gebäude werden von den Wiener Sängerknaben genutzt.
Das sogenannte Kaiser Stöckl von Joseph II., das an der Rückseite des Palais Augarten zu finden ist, wird heute als Proberaum von den Sängerknaben benutzt und das wurde mir auch von Anrainern bestätigt.
Der ebenerdige Teil des Gebäude wurde von Joseph II. als Privatresidenz benutzt. Die große Maisonette hatte einen Rundumblick in die ehemals unverbaute Leopoldstadt und Richtung Stadtzentrum, in die Praterauen und in den barocken Augarten.
Die Parkanlage wurde von den Gartenarchitekten Jean Trehet in französichen Stil neu angelegt. Kaiser Joseph II. hatte im Jahr 1775 die Parkanlagen der Öffentlichkeit zur freien Benützung übergeben und über dem Gartenportal folgende Infschrift anbringen lassen: „Allen Menschen gewidmeter Erlustigungs-Ort von Ihrem Schätzer“

16. Oktober 2008

215. Todestag von Marie Antoinette

Heute Gedenken wir der Hinrichtung von Marie Antoinette.



Ankündigung:
Interessierten Lesern kann ich in kürze die privaten Briefe von Marie Antoinette an die Landgräfin Luise von Hessen und an die Prinzessin Charlotte von Hessen zur Lektüre anbieten. Die Briefe sind wie gewöhnlich, als Pdf gescannt, aus einem Buch in französischem Originaltext vorhanden. Interessenten melden sich direkt bei mir, da ich nur einen Brief hier online stellen werde. Das gesamte Konvolut umfasst 34 Briefe.

11. Oktober 2008

Ein Vormittag mit Marie Antoinette


Die Königin erwachte gewöhnlich gegen 8 Uhr.
Eine Garderobefrau trat alsdann ein mit einem Korbe, der zwei oder drei Hemden, Sacktücher und Waschlappen enthielt; das nannte man die Morgenzurüstung. Die erste Kammerfrau reichte ein Buch, in dem Kleidermuster für großen Staat, für Hauskleider usw. angeheftet waren; es waren gewöhnlich für jede Jahreszeit zwölf „große Kleider“, zwölf kleine Phantasiekleider, zwölf reiche Roben mit Reifröcken bestimmt. Die Königin bezeichnete mit einer Stecknadel die für den Tag ausgewählten Kleider: eine großes Kleid, ein Hauskleid für Nachmittag, eine robe parée für Spiel und Souper. Man trug das Musterbuch alsbald fort und brachte in großen Tafttüchern die gewählten Kleider herbei.
Die Königin badete fast täglich; man rollte eine Wanne in ihr Zimmer, und die Badefrauen wurden mit allem Badezubehör eingelassen. Die Königin hüllte sich in ein langes Hemd aus englischen Flanell, das bis hinab zugeknöpft war, und wenn sie aus dem Bade stieg, hielt man ein sehr hohes Tuch von sie, um sie gänzlich den Augen ihrer Frauen zu entziehen. Dann begab sie sich wieder zu Bette, mit einem Mantel aus weißem Taft angetan, und nahm ein Buch oder eine Stickerei zur Hand. Um 9 Uhr frühstückte sie, an Badetagen im Bade selbst auf einem auf den Deckel der Wanne gestellten Präsentierteller, an den anderen Tagen in ihrem Bette oder manchmal stehend an einem Ihrem Kanapee gegenüber hingestellten Tischchen. Es fand dann der kleine Empfang statt. Das Frühstück war sehr einfach, etwas Kaffee oder Chocolate.
Zu Mittag fand die Repräsentationstoilette; das war zugleich die Stunde des großen Empfanges. Es wurden Feldstühle herbeigerückt für die Oberintendantin, die Ehren- und Kammerdamen, die Gouvernante der königlichen Kinder; die Prinzen von Geblüt, die Gardekapitäne, alle Zutritt habenden Großwürdenträger machten ihre Cour; die Palastdamen erst nach der Toilette. Die Königin grüßte mit dem Kopfe oder durch kleine Verbeugung, wenn es ein Prinz von Geblüt war; sie stütze sich auf den Putztisch, um das Zeichen zum Aufstehen zu geben. Die Brüder des Königs kamen gewöhnlich, während man sie frisierte.
Der gewöhnlich reich geschmückte Putztisch wurde in die Mitte des Zimmers gezogen. Hier wurde Toilette gemacht. Die Ehrendame reichte das Hemd und goss das Wasser auf zum Waschen der Hände; die Kammerdame reichte den Unterrock zur Robe oder zum großen Kleide, legte das Halstuch um und befestigte das Collier. In diesem Augenblicke händigte am ersten jeden Monats Herr Randon de la Tour der Königin in einem weißledernen, mit Taft gefütterten und silberbestickten Beutel den für ihre Almosen und ihr Spiel bestimmten Betrag ein. Später stellte Marie Antoinette diesen Gebrauch ab. War die Frisur fertig, so grüßte sie die in ihrem Zimmer befindlichen Damen und ging, bloß von ihren Frauen begleitet, in ihr Cabinet, um sich anzukleiden; dort traf sie ihre Modistin, Fräulein Bertin, zu jener Zeit die oberste Richterin in Sachen des Putzes und Geschmackes.
Nach der Vollendung der Toilette ging die Königin, begleitet von der Oberintendantin, den Ehren- und Plastdamen, dem Ehrenkavalier, dem ersten Stallmeister, ihrem Klerus und den Prinzessinnen der königlichen Familie durch den Friedensalon und über den Gang, um sich zur Messe zu begeben. Sie hörte diese samt dem Könige auf einer Tribüne gegenüber dem Hochaltar, ausgenommen an den Tagen, wo „große Kapelle“ war, und wo sie der Messe unten auf Teppichen mit Goldfransen beiwohnte.
Nach der der Messe kam das Diner. Der Haushofmeister trat ins Zimmer der Königin, meldete, dass aufgetragen sei und überreichte das Menu.

Memoires de Mme Capman, p. 97 und 98

4. Oktober 2008

Chevalier d'Eon im Dienste Louis XV.


Um den Reigen der dienstbaren Geister um Louis XV. weiterzuführen, möchte ich euch heute den Chevalier d`Eon vorstellen.
Als Geheimagent, Transvestit und bester Fechter seiner Zeit erfüllte er(sie) die ihm gestellten Aufgaben ausgezeichnet. Louis XV. war mit seinen Diensten so zufrieden, das er ihn mit dem Ludwigskreuz auszeichnete und in den Adelsstand erhob.


Am 5. Oktober 1728 wurde in Tonnerre, Charles Geneviève Louis Thimothée d' Eon de Beaumont geboren. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinerlei Zweifel, dass er der Sohn einer angesehenen Anwaltsfamilie war.
Seine Mutter kleidete ihn als Kind manchmal in die Kleider seiner Schwester. Das war in dieser Epoche nichts ungewöhnliches. Letztendlich trugen in dieser Zeit auch Jungen bis zum Alter von ca. 8 Jahren sowieso Röcke. Er lernte schon früh Lesen und Schreiben und war sehr sprachbegabt.
1743 wurde auf Empfehlung seines Onkels d'Eon de Tissey vom Collège des Quatre-Nations in Paris aufgenommen. Er vervollständigte seine Ausbildung am College Mazarin in Paris, graduierte zum Doktor beider Rechte und wurde 1749 der Sekretär des Monsieur de Sauvigny, dem Steuerverwalter bei der Pariser Intendantur. Er schrieb ein Buch über die Französischen Staatsfinanzen. Danach wurde er königlicher Zensor und verbrachte viel Zeit mit Büchern.Ein Journalist namens Freron bot d'Eon an, für sein Journal zu schreiben.1752 veröffentlichte er einen «Essai historique sur les différentes situations de la France par rapport aux finances, sous le règne de Louis XIV et la régence du duc d'Orléans».
Wie er dann zum Mitglied der Geheimdienstes Ludwig XV wurde, eine Tätigkeit die sein weiteres Leben prägte, darüber gibt es verschiedene Versionen. Gönnen wir uns die romantische Variante!
Im Jahre 1755 verkehrte D'Eon im Haus der Gräfin von Rochefort an, einer jungen Witwe. Gemeinsam mit Freunden überredete sie ihn, bei einem Kostümfest des Königs in Versailles in einem eleganten Tanzkleid zu erscheinen, das sie ihm aus ihrer eigenen Garderobe zur Verfügung gestellt hatte. D'Eon schreibt hierüber folgendes: "Der bloße Gedanke, dass ich das Kleid der Gräfin anziehen soll, daß ich an meiner eigenen Haut einen Stoff verspüren werde, der den Busen der reizenden Frau bedeckt und berührt hat, erfüllt mich mit unbeschreiblicher Seligkeit. Dieses Kleid muss viele zarte Düfte besitzen von der Frau, die es getragen hat. Es sollte mich berauschen, wie schon der Gedanke daran mich berauschte. Ich traf früh ein, ich musste mich anziehen lassen, denn Frauenkleider machen sehr viel Mühe." Die Mühe muss sich gelohnt haben, denn während des Balls wurde Ludwig XV, der keine Ahnung hatte, wer das schöne Mädchen in Wirklichkeit war, auf d'Eon aufmerksam. Der König ließ Mademoiselle d'Eon zu sich kommen und zog sich mit ihr in ein benachbartes Zimmer zurück. In diesem Moment betrat Madame de Pompadour, die Favoritin des Königs, die mittlerweile Auskünfte über d'Eon eingezogen hatte, das Zimmer und klärte lachend die Situation auf. Auch der König war dem jungen, klugen und geistreichen Mann begeistert. Der Grundstein für eine lange dauernde, vertraute Beziehung war gelegt.
Wie gesagt, das war die romantische Version.
Tatsache ist aber, dass d'Eon ab 1755 Geheimdienstaufträge für den König erledigte ...und das sehr erfolgreich.

Der Auftrag in Russland


Ludwig XV wollte zu dieser Zeit die diplomatischen Beziehungen zu Russland wieder aufnehmen. 2 Botschafter, die er geschickt hatte um diesbezüglich mit Elisabeth, der Zarin von Russland, zu reden, scheiterten, weil sie nicht am Hofe vorgelassen wurden.
Auf Empfehlung des Prinzen Conti wurde d'Eon 1756 in geheimer Mission nach St. Petersburg geschickt, um der Zarin einen Brief Ludwig XV zu überreichen. D'Eon wurde am Hof vorgelassen, erwarb das Vertrauen der Zarin und schaffte es, die Beziehungen zwischen Frankreich und Russland wieder in Gang zu bringen. Soweit die rohen Fakten, aber wie d'Eon diese Leistung vollbracht hat, das ist wiederum Gegenstand von Mythenbildungen. Während neuere Forschungen, davon ausgehen, dass d'Eon diesen Job als Mann erledigte, ist die weithin geglaubte (von seinen Gegnern später kolportierte und auch von ihm selbst behauptete) eine deutlich andere (und auch viel hübschere):
Nach dem vorherigen Scheitern entwickelte Ludwig XV im Gespräch mit dem Prinzen Conti den Gedanken, nur eine Frau hätte die Chance, vorgelassen zu werden, aber die Mission war zu gefährlich, um eine Frau damit zu betrauen. Nun erinnerte sich der König an D'Eon und sein erstes großes Abenteuer als Frau begann.
Anfang Juni 1755 erhielt der damals 27Jährige Chevalier d'Eon vom Prinzen Conti eine vollständige Ausstattung Kleider und machte sich mit dem Chevalier Douglas zusammen auf den Weg. Douglas gab sich als Pelzhändler aus, war aber in Wirklichkeit Doppelagent in diensten von Waldeck (Holland) und Ludwig XV. D'Eon reiste unter der Identität seiner Schwester, Lia de Beaumont. Während der Reise hielten sich die beiden längere Zeit in Neustrelitz auf, wo die junge und interessante Französin, von ihrem Begleiter Chevalier Douglas als eine Nichte ausgegeben, von der herzoglichen Familie warm aufgenommen wurde. Dort lernte d'Eon die junge Sophie-Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, die später Königin von England werden sollte, kennen. (Diese Dame hatte später noch entscheidenden Einfluss auf das Leben des Chevalier!)
Doch während Douglas an der russischen Grenze zurückgewiesen wurde erhielt Lia Zutritt zum Hof der Zarin in St. Petersburg. Mit ihrem Charme bezauberte Lia die Zarin und wurde zu ihr vorgelassen. Ob D'Eon seine wahre Identität als Mann aufdeckte oder die Zarin selbst darauf kam, mag dahinstehen, jedenfalls übergab der Geheimagent des Französischen Königs die geheimen Papiere. Kaiserin Elisabeth war von der schönen Mademoiselle so entzückt, dass sie sie bald zum Vorlesen französischer Dokumente heranzog.
An dieser Stelle kann ich nicht wiederstehen, eine Anekdote zu ergänzen, die der Psychologe Magnus Hirschfeld in seiner Darstellung über d'Eon schildert:
"Die Zarin war nicht die einzige, die sich in Petersburg in die Französin verliebte. Viele andere erlagen ihrem Zauber; unter ihnen auch Lord Ferrers, englischer Peer, Admiral, berühmter Mathematiker und Physiognom der Lavater-Schule, der stolz darauf war, daß er die geheimnisvolle, symbolische Schrift der menschlichen Gesichtszüge fließend lesen konnte, was ihm jedoch bei d'Eon nicht gelang. Denn während der berauschte Peer sich mit dem Gedanken trug, seine Frau mit dem mutmaßlichen Mädchen zu hintergehen, und sie dazu überredete, da es "schließlich schon so spät" wäre, die Nacht in seinem Hause zu verbringen, bestrafte d'Eon ihn dadurch, dass er ihn mit Lady Ferrers betrog."
Zurück zur Politik. d'Eon überzeugte die Zarin, einen Brief an Ludwig XV zu schreiben und die Entsendung eines französischen Botschafters nach Russland anzuregen. Kurze Zeit später unterschrieb sie einen geheimen Pakt, in dem sie sich verpflichtete, Georg II nicht zu helfen.
Es ist fast unglaublich, aber bereits im nächsten Jahr wurde er wieder nach Russland geschickt. Diesmal auf jeden Fall als Mann in der Position eines Botschaftsassistenten.
Er nahm auch Kurieraufgaben wahr und überbrachte im Jahr 1757 als erster die Botschaft eines Österreichischen Sieges über Preußen in einem Gewaltritt von Wien nach Versailles, der ihm ein verletztes Bein und das Patent eines Leutnants der Elitedragoner einbrachte.
Die Legende will, dass er in dieser Zeit am Hof der Zarin sowohl als Lia, als auch als Charles agierte. Je nachdem was man glauben mag, war d'Eon also Vorleser oder Kammerfrau, eventuell auch Liebhaber der Zarin.

Die soldatische Karriere

1761 kehrte er nach Frankreich zurück.
Er machte darauf den Feldzug von 1761 in Deutschland als Adjutant des Herzogs von Broglie mit der gegen Friedrich II. im Feld stand. Er leitete bei Höxter den Munitionstransport über die Weser, wurde bei dem Zusammentreffen bei Ultropp an der Hand und am Kopf verwundet und tat sich bei der Belagerung und Besatzung von Wolfenbüttel besonders hervor. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1762 zum Hauptmann der Elite-Dragoner und zum Ritter des St.-Louis-Ordens ernannt. Das Ritterkreuz machte ihn zum Adligen, jetzt war er der Chevalier d'Eon.

1762 wurde d'Eon das erste mal nach London geschickt, um die Verhandlungen über einen Friedensvertrag zu unterstützen. Am 10. Februar 1763 wurde der Vertrag von Paris unterzeichnet und der 7-jährige Krieg damit beendet. Kanada, die Gebiete östlich des Mississippi und die Gebiete um die Großen Seen werden von Frankreich an Großbritannien abgetreten. In Nordamerika behält Frankreich nur New Orleans, die Westhälfte Haiti sowie die Fischerinsel St. Pierre et Miquelon.

Diplomat und Spion

Bald schon (1763) sandte Ludwig XV d'Eon, wiederum nach England, zunächst im Rang eines Gesandtschaftssekretärs des Herzog von Nivernois, nach dessen Rückkehr nach Frankreich als generalbevollmächtigter Minister am Englischen Hof (das entspricht etwa einem Botschafter). Doch d'Eon war nicht nur Diplomat, er war auch Spion. Ludwig XV plante zu dieser Zeit einen Einmarsch in England und d'Eon sollte die notwendigen Informationen über die britische Armee beschaffen.
Nach kurzer Zeit wurde d'Eon der Titel eines generalbevollmächtigten Ministers genommen. Er verlor das Vertrauen seines Königs und des Ministers Choiseul, hauptsächlich (so behauptete er selbst jedenfalls) wegen Madame Pompadour, die wegen seiner geheimen Korrespondenz mit dem König eifersüchtig gewesen sein soll.
Der Vertrauensverlust könnte jedoch auch einen anderen Grund gehabt haben: Charles Lebensstil in England war verschwenderisch. Er verwendete viel Zeit und Geld, um Kontakte mit hohen Kreisen zu pflegen. Von seinen eigenen und benachbarten Weingütern Burgunds ließ er Weine importieren und verschenkte sie großzügig. Im Ergebnis war er bald hoch verschuldet. Als das französische Außenministerium sich weigerte, für diese Schulden aufzukommen, begann d'Eon interessante Dokumente privat zu verwahren.
D'Eon wurde informiert, dass er den Titel abzugeben habe und sein neuer Vorgesetzter der Comte der Guerchy sei. Damit begann eine verbitterte Fehde zwischen diesen beiden.
D'Eon zweifelte die Echtheit des Ernennungsschreibens gegenüber einflussreichen Freunden an. Doch niemand stand ihm bei.
Im Oktober 1763 weigerte er sich den Befehlen, England zu verlassen, Folge zu leisten.
D'Eon forderte de Guerchy zu einem Duell heraus. Der wusste jedoch um das Geschick des Chevaliers mit der Waffe und entzog sich der offenen Konfrontation. Um d'Eon lächerlich zu machen verbreitete er das Gerücht, dieser sei am russischen Hof nicht Vorleser, sondern Kammerfrau gewesen (so wäre eventuell de Guerchy der Urheber der famosen Geschichte!) und nachdem das nicht den nötigen Eindruck machte, brachte er in Umlauf, d'Eon sei tatsächlich eine Frau (was es ihm unmöglich machen würde, das Duell zu fechten ;-))
D'Eon fürchtete, eventuell gewaltsam nach Frankreich verschleppt zu werden. In einem Brief an Ludwig XV behauptete er, der Comte de Guerchy habe versucht ihn zu vergiften.
"Anschließend entdeckte ich, dass M. de Guerchy Opium, wenn nicht schlimmeres, nach dem Essen in meinen Wein geben wollte. Ich sollte in einen tiefen Schlaf fallen. Dann wollten sie, anstatt mich nach Hause zu bringen, mich zur Themse tragen, wo wahrscheinlich ein Boot wartete, um mich zu entführen."
Tatsächlich erhob D'Eon wegen versuchter Vergiftung Klage gegen Guerchy. Der seinerseits hatte schon Klage wegen Verleumdung gegen D'Eon erhoben, letztendlich begründet mit Informationen aus staatlichen Dokumenten, in deren Besitz er wegen seiner staatlichen Funktion gelangen konnte. Beide Parteien waren erfolgreich. Guerchy wurde des Mordversuchs für schuldig befunden, konnte aber wegen seiner diplomatischen Immunität nicht belangt werden. D'Eon wurde der Verleumdung für schuldig befunden, weigerte sich jedoch, sich in Frankreich vor Gericht zu verantworten. Im Ergebnis ein klassisches Unentschieden!
Im Gegenzug zu Guerchys Nutzung von Geheimdokumenten, machte das auch d'Eon und er veröffentlichte 1764 ein Buch mit dem Titel "Lettres, mémoires, et négociations particuliéres”, das ein Bestseller in ganz Europa wurde, während es an den Höfen von Frankreich und England eher mit Bestürzung aufgenommen wurde. Das Buch machte d'Eon berühmt. Klugerweise hatte er darin die Pläne Ludwig XV zu einer Landung in England nicht erwähnt.
Weil Guerchy in Meinungsverschiedenheiten mit Georg III geriet und in der englischen Presse heftig kritisiert wurde, ging er zurück auf den Kontinent.
1766 wurde d'Eon von Ludwig XV eine jährliche Pension von 12.000 Livres verliehen. Begründet wurde dies mit seinen Verdiensten für den König in Russland, der Armee und anderen Aufträgen.
Doch er hatte auch ein großes Hobby - Bücher. Während seiner Zeit in London verwendete er die viel Zeit und den größten Teil seines Geldes für seine Bibliothek, die ca 6.000 Bücher und 500 seltene Handschriften umfasst haben soll.
Ebenfalls 1766, in einer weiteren Verschlingung seines komplizierten und heimlichen Lebens, wurde er Freimaurer und war Mitglied in der Lodge of Immortality, No. 376, die sich in der Crown and Anchor Tavern in London traf. 1769 - 1770 bekleidete er in ihr sogar ein hohes Amt..

Charles und/oder Lia

Spätestens ab 1763 begann d'Eon sein Doppelleben als Charles und Lia, wenn es nicht schon in Russland begonnen hatte.
Irgendwann ca. 1864 begannen in London aber auch in Frankreich Zweifel aufzutauchen, ob den der Chevalier d'Eon wirklich ein Mann sei. Die Gerüchte wurden (wie schon geschildert) von de Guerchy angeheizt. Es gab aber auch andere Quellen, so schrieb der Gesandschaftssekretär Broglie (das war wohl Charles-François de Broglie der Bruder von Victor-François de Broglie, dessen Adjudant d'Eon im 7-jährigen Krieg war) an den König von Frankreich: "Der Sieur d'Eon ist eine Frau und nichts als eine Frau, deren Attribute er besitzt. Er bat mich sein Geheimnis zu bewahren!"
D'Eon erneuerte seine Bekanntschaft mit Sophie-Charlotte, mittlerweile Gattin des Englischen Königs Georg III.
Eines nachts sandte Sophie-Charlotte nach d'Eon, weil ihr Sohn krank war. Während sich d'Eon in ihren Räumen aufhielt kam der König, der befremdet war, nachts einen Mann bei seiner Frau zu finden. Um den Ruf der Königin zu schützen erklärte Cockrell, der Adjudant der Königin, bei d'Eon handele es sich in Wirklichkeit um eine Frau. Georg III, der schon Gerüchte über die unklare Geschlechtszugehörigkeit von d'Eon gehört hatte, schickte einen Brief an Ludwig XV um die Sache zu klären. Ludwig XV, der (ungeachtet oder gerade wegen seiner Invasionspläne) an guten Beziehungen zu England interessiert war, schrieb zurück und "garantierte”, dass es sich bei d'Eon um eine Frau handelte.
Auch Giacomo Casanova traf bei seinem Aufenthalt in London (also zwischen September 1763 und Juli 1764) zumindest zwei mal mit d'Eon zusammen. Das erste Mal im Hause des Englischen Botschafters. Einem alten Fuchs und Frauenkenner wie Casanova kann man nichts vormachen. Er schreibt in seinen Memoiren:
"Dieser Chevalier d'Eon ist eine gut aussehende Frau, die Anwalt und Dragonerhauptmann war, bevor sie in den diplomatischen Dienst eintrat. Sie diente Ludwig XV als tapferer Soldat und Diplomat mit vollendeten Fähigkeiten. Trotz ihrer männlichen Verhaltensweisen erkannte ich sie schnell als Frau. Die Stimme war nicht die eines Kastraten und ihr Körper war zu gerundet für den eines Mannes. Die bartlosen Wangen sind kein Kriterium, denn das könnte eine Laune der Natur sein."
Wie schon Casanova angemerkt hatte, konnte man sein Verhalten nicht gerade als effeminiert bezeichnen, es entsprach (so berichtet es später Marie Antoinette in ihren Memoiren) eher dem eines Grenadiers. Gleichwohl trug er Kleider, Röcke und Makeup....und forderte diejenigen zum Duell, die das lächerlich fanden. Wegen seiner Meisterschaft im Fechten dürfte das die Bereitschaft für Witze auf seine Kosten deutlich vermindert haben.

Die Wetten des Chevalier

In der Tat war das Interesse an ihm so groß, dass um 1770 herum (hier gehen die Zahlen auseinander, sind aber in jedem Fall beeindruckend) zwischen 120.000 und 300.000 Pfund in England auf dieses Thema verwettet waren. Es gab ein Belohnungsversprechen in Höhe von 6.000 Pfund für denjenigen, der d'Eons wahres Geschlecht aufdecken würde. Die Wetten wurden sogar an der Londoner Börse gehandelt.
1774 veröffentlichte d'Eon in Amsterdam ein Buch mit dem Titel -« Les loisirs du chevalier d'Eon de Beaumont, ancien ministre plénipotentiaire de France, sur divers sujets importants d'administration, etc., pendant son séjour en Angleterre », das die Gerüchteküche weiter anheizte.
1777 erhob eine Versicherungsgesellschaft Klage wegen eines Schadenersatzanspruches aus einer dieser Wetten. Es musste geklärt werden, wer denn nun gewonnen hatte. Zeugen bestätigten, dass d'Eon eine Frau sei, doch der letzte Beweis konnte nicht geführt werden, da d'Eon 1 Monat vorher nach Frankreich abgereist war. Wie auch immer, der Richter, Lord Mansfield, urteilte, dass d'Eon eine Frau sei. Weil aber trotzdem noch Zweifel bestanden, blieben viele Wetten offen bis zum Tod d'Eons viele Jahre später.

Der Rückkehrvertrag

Nach dem Tod Ludwig des 15. im Jahr 1774 bemühte sich d'Eon um eine Rückkehr nach Frankreich. Das lag auch im Interesse des neuen Königs, Ludwig XVI. Er wollte einerseits die gestohlenen Dokumente aus d'Eons Besitz weil er die Invasionspläne seines Vorgängers nicht teilte und sie einer echten Entspannung der Beziehungen zwischen beiden Ländern gefährlich werden konnten und andererseits wohl auch um den peinlichen Chevalier von der diplomatischen Bühne zu holen.. Der tief verschuldete d'Eon reagierte prompt. Er schickte aus einem Versteck in London Briefe nach Paris in denen er den König mit der Drohung erpresste, seine Spionagetätigkeit öffentlich zu machen.. Er verlangte neben einer erheblichen Summe Geldes auch, eine schriftliche Garantie des Königs, dass dieser ihn in Frankreich vor seinen Feinden beschützen werde, bevor er sein Büro in London aufgeben werde. Falls es nicht zu einer Einigung käme, wollte er seine gesamte geheime Korrespondenz mit Ludwig XV, inclusive der geheimen französischen Invasionspläne, den Engländer aushändigen.
Im April 1775 sandte Ludwig XVI Pierre Augustin Caron de Beaumarchais nach England, um mit d'Eon über die Rückgabe der prekären Dokumente zu verhandeln. Diese Verhandlungen endeten am 4. November 1775 mit einem Vertrag, dessen Klauseln in der Weltgeschichte wohl einmalig sind. Der Köig verpflichtete sich, d'Eon wieder nach Frankreich zu lassen. Seine Pension von 12.000 Livres wurde ihm wieder gewährt (inclusive der Zinsen für die entgangenen Zahlungen) und vierteljährlich ausgezahlt. Zusätzlich erhielt er einen Betrag, der ausreichend war, seine Schulden zu decken. Im Gegenzug überreichte d'Eon die geheimen Dokumente über die französischen Kriegspläne gegen England und verpflichtete sich in Frankreich als Frau zu leben.
Über die Gründe, die zu dieser verblüffenden Vertragsklausel führten, gibt es verschiedene Erklärungen.
D'Eon selbst hatte gefordert, als Frau anerkannt zu werden.Die Erpressung des Königs konnte nicht ohne Sanktion bleiben, aber richtig bestrafen konnte man d'Eon auch nicht, weil seine Sicherheit garantiert war. Clevere Zwischenlösung: nicht der (erpresserische) Mann, sondern "bloß" die Frau darf zurück nach Frankreich
D'Eons angebliches Verhältnis mit Sophie Charlotte (das evtl. auch nicht folgenlos geblieben ist) wäre nicht länger übersehbar gewesen, wenn d'Eon, zweifelsfrei als Mann in Frankreich leben würde. Die französische Krone hatte dem englischen Hof zudem ausdrücklich versichert d'Eon sei eigentlich eine Frau... und dabei musste es jetzt bleiben, um niemanden zu kompromittieren.
Die Beleidigungen, die d'Eon Guerchy zugefügt hatte waren für dessen Familie nicht tolerabel, so dass er aus diesem Grunde nicht als Mann zurückkehren konnte. Es ist zu vermuten, dass die Wahrheit wohl in einer Kombination verschiedener Gründe liegen dürfte.

Rückkehr nach Frankreich

1777, im Alter von 49 Jahren, verließ d'Eon London und kehrte nach 14 Jahren nach Frankreich zurück. Verblüffenderweise (aber was kann uns nach dem vorhergegangenen an unserem Helden noch verblüffen?) war er gekleidet in seine Uniform als Hauptmann der Dragoner als er nach Versailles kam. Marie Antoinette selbst schickte ihre Schneiderin Rose Bertin, um D'Eon weibliche Kleidung zu nähen. D'Eon wurde eine Frist von 3 Tagen eingeräumt, in männlicher Kleidung nach Tonnerre zu reisen. Am 21. Oktober zog er weibliche Kleidung an (zu der er jedoch immer das Ludwigskreuz trug) und damit war aus dem Chevalier die Chevaliere D'Eon geworden. Am 21. November wurde «sie» offiziell am Hof von Versailles eingeführt.
Am Ende des Jahres 1777 war d'Eon sowohl in England als auch in Frankreich vor dem Gesetz eine Frau.
Wir sollten dieser Rechtslage Rechnung tragen und ab jetzt von D'Eon als Dame sprechen.

Rebellion gegen die Röcke

Zunächst gefiel ihr das Arrangement sehr gut. Doch 1778, als Frankreich sich am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen England beteiligte, schrieb d'Eon Briefe an das Außenministerium. Sie bat darum, die Röcke ausziehen und statt dessen ihren Militärdienst wieder aufnehmen zu dürfen und nach Amerika geschickt zu werden. Statt dessen wurde sie 1779 für 19 Tage in das Gefängnis unterhalb des Château of Dijon geworfen, weil sie es gewagt hatte, dem König zu trotzen und mal wieder in ihrer Dragoneruniform unterwegs gewesen war.
D'Eon wurde unter der Bedingung wieder freigelassen, dass sie nach Tonnerre zurückkehrte und ihr wurde das erneuerte Versprechen abgenommen, für den Rest des Lebens eine Frau zu bleiben.
"Charles Genevieve Louise Augusta Timothee d'Eon de Beaumont wird hiermit aufgegeben, die Dragoneruniform beiseite zu legen, die sie gewöhnlich trägt und künftig die Kleidung ihres Geschlechtes zu tragen. Und es ist ihr verboten künftig im gesamten Königreich in anderer Kleidung zu erscheinen als solcher, die einer Dame ziemlich ist."

Landleben in Tonnerre

Die mit der Anordnung verbundene Sanktionsandrohung des Verlustes ihrer Pension hat d'Eon offensichtlich beeindruckt.
Die nächsten 6 Jahre lebte sie überwiegend bei ihrer Mutter in Tonnerre. Christlicher Glaube, insbesondere Jansenistische Ideen wurden wichtig in ihrem Leben.
"Lias"-Jahre gingen dahin und die Gründe, die zu der Verpflichtung als Frau zu leben geführt hatten, verloren an Bedeutung. Die Umstände wurden der Chevaliere zunehmend lästig.
Unter dem Namen La Fortelle, veröffentlichte d Eon die Geschichte ihres "Vie militaire, politique et privée", die mehr eine Neuerfindung der Vergangenheit war.
1785 verstieß d'Eon wiederum gegen die Auflagen und wurde gesehen, wie sie in der alten Dragoner-Uniform über ihre Felder ritt. Erneut wurde ihr aufgegeben sich nie mehr öffentlich anders als weiblich gekleidet zu zeigen.

Ausreise nach England

1785, 4 Jahre vor Beginn der französischen Revolution, bekam d'Eon die Erlaubnis, nach London zu gehen und dort ihre Angelegenheiten zu regeln, insbesondere die Bibliothek und andere Besitztümer zurückzubringen. Dadurch sollten auch verfängliche Dokumente, die Frankreich belasten könnten, eingeführt werden. So schickte Frankreich Madame d'Eon auf die Reise und gab ihr 6.000 Livres mit.
Sie ließ sich in London nieder, um dort den Rest seines Lebens zu verbringen. England war für sie "ein Land freier als Holland, und wert von einem Mann des Denkens und der Freiheitsliebe besucht zu werden".
D'Eon ging als Lia nach England, was verwundert, weil sie sich in Frankreich ja so vehement gegen die Röcke gewehrt hatte, dass sie ernsthafte Probleme bekam. Tatsächlich sollte "Charles" nie mehr erscheinen, d'Eon lebte ihre letzten 20 Jahre komplett als Frau. Obwohl Ludwig XVI nicht länger König war und die Vereinbarung zwischen ihm und d'Eon nicht länger gültig war, kleidete sie sich weiterhin als Frau, eventuell um Sophia-Charlotte zu schützen. Ironischerweise entschied sich d'Eon für das "schöne Geschlecht" zu einem Zeitpunkt, als das fortschreitende Alter sie als Frau weniger passabel erscheinen ließ. Horace Walpole traf d'Eon im Jahr 1786 und fand sie laut und vulgär: "Ihre Arme und Hände schienen an dem Geschlechtswechsel nicht teilgenommen zu haben und sind mehr geeignet, einen Stuhl zu tragen als einen Fächer." Und James Boswell schrieb: "Sie schien mir ein Mann in Frauenkleidern zu sein."
In der Folge der Französischen Revolution, deren Ideale sie begrüßte (zur Zeit der Revolution nannte sie sich "Dèon"), verlor D'Eon ihre Pension und damit ihre finanzielle Absicherung.

Bibliothek

1791 sah sich D'Eon gezwungen ihre geliebte Bibliothek, in die sie so viel Geld und Liebe investiert hatte, zu verkaufen. Sie beauftragte deshalb ihren Freund Christie mit dem Verkauf, der mit ihr dies Verzeichnis der zur Versteigerung kommenden Schätze herausgab: "Katalog der seltenen Bücher und kostbaren Handschriften der Chevaliere d'Eon, der ehemals bevollmächtigter französischer Gesandter in England .... enthaltend eine große Anzahl alter sowie neuer Handschriften, eine wertvolle Sammlung von Wörterbüchern und von französischen, griechischen, lateinischen, englischen Druckwerken, auch von orientalischen Schriften .... und das die Vorrede des Katalogs eine interessante Schilderung der sehr eigenartigen Position der Mlle. D'Eon enthält....". Dieses verlockende, für einen Schilling verkaufte Verzeichnis hatte den gewünschten Erfolg: die Bücherei wurde nicht verkauft, aber eine bei dem Bankier Hammersley eingeleitete öffentliche Sammlung brachte der Chevaliere 465 Pfund Sterling ein, die sich trotz der prekären finanziellen Lage beeilte, den größten Teil der Summe der Bibliophilie zu opfern: 1792 kaufte sie die von Mead und Douglas zusammengebrachte Kollektion von 500 Ausgaben des Horaz, deren Verzeichnis sie redigiert hatte, bei Christie für 100 Pfund. Am 24. Mai 1793 war die Chevaliere dann aber doch so weit. Sie musste einen Teil ihrer Bücherei durch Christie versteigern lassen.




D'Eon gründete eine erfolgreiche Fechtschule. Es muss ein eigenartiges Bild gewesen sein, wie sie jungen englischen Gentlemen Fechtunterricht gab - immer als Frau gekleidet. Am 9. April 1787 focht sie im Carlton House seinen berühmtesten Kampf gegen den Chevalier de Saint George, einen Adligen aus West-Indien, der allgemein als der beste Fechter Europas galt. Bei diesem Kampf schaute auch der Prince of Wales zu. Der Sieg war triumphal: d'Eon brachte es auf 7 Treffer, während sie ihr Gegner nicht einmal berührte. Das Ergebnis ist um so erstaunlicher, nicht bloß, weil d'Eon natürlich in Frauenkleidung kämpfte, sondern insbesondere weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits 58 Jahre alt (und ziemlich korpulent) war -17 Jahre älter als ihr Gegner.

D'Eon schlug Kapital aus diesem Sieg, indem sie mit einer kleinen Truppe von Fechtern durch die Provinz tourte und dort Schaukämpfe veranstaltete.
Im August 1796 trat d'Eons kleine Truppe in Southampton auf. Die gebrochene Degenklinge ihres Mitstreiters Jacob de Launay drang ihr in die Seite ein. Sie war schwer verwundet und rang 4 Monate mit dem Tod. Sie erholte sich nie mehr richtig von dieser Verletzung und kämpfte nie wieder.

Die späten Jahre

1795 machte d'Eon die Bekanntschaft der etwa gleichaltrigen Admiralswitwe Mrs. Mary Cole und sie lebten die nächsten 15 Jahre gemeinsam in einem Haus.
Tragischerweise lebte d'Eon während ihrer letzten Jahre in Armut und Elend., Lediglich mit einer kleinen Rente ausgestattet, die ihr die Königin von England gewährte.
1804 kam sie für 5 Monate ins Schuldgefängnis, wo sie von ihrer Mitbewohnerin Mrs. Cole ausgelöst wurde.
1805 unterschrieb sie einen Vertrag für ihre Autobiographie, die La Pucelle de Tonnerre heißen sollte. Sie wurde nie veröffentlicht.

Die Chevaliere D'Eon starb friedlich in ihrem Bett am 21. Mai 1810.
Aber D'Eon kam wurde nicht ohne weiteres begraben: Es gab da immer noch eine wichtige Frage zu klären; Frau? Hermaphrodit? Oder doch ein Mann? Der Klärung, die D'Eon Zeit seines Lebens vermieden hatte, konnte er jetzt nicht mehr verhindern. Er wurde gerichtsmedizinisch untersucht und das Ergebnis war eindeutig:
"I hereby certify that I inspected and dissected the body of le chevalier d'Eon in the presence of M. Adair, M. Wilson, le père Elysée and found the male organs of generation in every respect perfectly formed.”
Millman street - May 23 1810
Th. Copeland. Surgeon
Erst jetzt wurde d'Eons Freundin, Mrs. Cole, klar (wahrscheinlich eine unangenehme und etwas verspätete Enthüllung), dass ihre langjährige Hausgenossin ein Mann war.
D'Eon liegt auf dem St. Pancras Friedhof in London begraben, wo sein bzw. ihr Grabstein noch heute zu sehen ist

© Jula 2004

1. Oktober 2008

Orfeo ed Euridice von Christoph Willibald Gluck


Wie Liebe den Tod besiegen kann, erzählt Glucks Oper "Orfeo ed Euridice" - Im Oktober kommt sie im Theater an der Wien auf die Bühne.
Der faszinierende Stoff der Orpheussage erzählt von der Macht der Musik und des Gesangs - er hat immer wieder Komponisten zu Vertonungen inspiriert. So auch Christoph Willibald Gluck und den Librettisten Ranieri de'Calzabigi, die am Wiener Kaiserhof aufeinander trafen. Mit "Orfeo ed Euridice" wollten sie ein neues Musiktheater-Ideal verwirklichen.
Die dargebotene Aufführung ist ist das italienische Original aus dem Jahr 1762 und leider nicht die längere, französische Version die unter der Patronanz von Marie Antoinette, in Paris 1774 uraufgeführt wurde.
Glucks Musik ist geprägt von melodiöser Schönheit und größter Dramatik: "Da ich Musik nicht nur als eine Kunst, das Ohr zu amüsieren, betrachtet habe, sondern als eines der größten Mittel, das Herz zu bewegen und Empfindungen zu erregen, habe ich mich mit der dramatischen Handlung beschäftigt und den großen und kräftigen Ausdruck gesucht", notierte der Komponist.
Orfeo beklagt Euridices Tod und verlangt von den Göttern, sie zurückzugeben. Die Götter gestatten ihm, in die Unterwelt hinabzusteigen, um Euridice zurückzuholen. Er dürfe sie aber auf keinen Fall anblicken, bevor er nicht wieder auf die Erde zurückgekehrt sei - ansonsten sei sie für immer verloren.
Als Orfeo Euridice im Totenreich trifft, fasst er ihre Hand und will sie mit abgewandtem Blick zu den Lebenden zurückführen. Doch der Weg ist lang und Euridice klagt über Orfeos unfassbare Lieblosigkeit. Da bricht seine Widerstandskraft und er schließt Euridice in seine Arme. Sie sinkt auf der Stelle leblos zu Boden und wird schließlich von Amor zu erneutem Leben erweckt. Der zweimalige Tod sei nur eine Treueprobe gewesen.
In "Orfeo ed Euridice" finden Szenen aus lyrischen Gesangsnummern, Chören, Balletten und packenden Orchestereinwürfen zusammen, die nahtlos ineinander übergehen.



Musikalische Leitung René Jacobs
Inszenierung Stephen Lawless
Bühne Benoît Dugardyn
Kostüme Sue Willmington
Choreografie Lynne Hockney
Licht Patricia Collins

Orfeo Bejun Mehta
Euridice Miah Persson
Amore Sunhae Im

Freiburger Barockorchester
Arnold Schoenberg Chor (Ltg. Erwin Ortner)
Statisterie des Theater an der Wien

Kartenvorverkauf

Opernbeschreibung und Szenenfolge aus dem Taminoforum