22. September 2007

An den Grafen Mercy, 3, Feb. 1791


Marie Antoinette schreibt einen Brief an Ihren österreichischen Botschafter und erklärt Ihre schwierige Lage in Frankreich und bittet um Hilfe aus dem Ausland.



Endlich, Herr Graf, bietet sich um die seit lange angekündigte Gelegenheit: diese Kassette enthält meine Diamanten, der König hätte gern seine eigenen dazugetan, doch haben wir es nicht gewagt, da sie der Krone gehören und uns, wie wir befürchten, jeden Augenblick unter dem Vorwande, sie wären nationales Eigentum, abgefordert werden können. Ihr Brief vom 24 hat mir viel Kummer und Leid gebracht, Trotz aller Widerstände oder Unfälle, auf die wir uns nach Ihren bei dieser zuverlässigen Gelegenheit unseren ganzen Plan auseinandersetzen.
Wir dürfen auf die Treue, die Verschwiegenheit und den guten Willen der Herrn vol Boulliè rechnen, doch teilt er unsere eigene Ansicht, dass man ohne Beistand der auswärtigen Mächte nichts unternehmen kann und dass diese Unterstützung für uns Gefahren mit sich bringt, solange wir noch in Paris sind. Nach reiflicher Überlegung haben wir als einziges Mittel unseres Entkommens die heimliche Flucht erkannt, denn Herrn von B. vermag weder für alle unter seinen Oberbefehl stehenden Truppen noch für die Behörden der an unserem Wege gelegenen Städte einzustehen, vermag uns also eine Reise nicht zu sicher. Außerdem glaubt er, dass die Zusammenziehung größerer Truppenmassen verdächtig erscheinen könnte, Er rät uns von Metz ab, denn diese Stadt erscheint ihm zu groß, ihre Bevölkerung allzu gemischt und von keinem guten Geiste beseelt, auch zu weit von der Grenze gelegen; doch schlägt er uns Montmèdy als Zufluchtsort vor, das davon nur eine Meile weit entfernt liegt. Es ist dies eine kleine aber starke Festung, die eine gute Verbindung mit dem benachbarten Luxenbourg hat, und der Ort bietet uns noch außerdem zwei andere Vorteil: dass niemand auf ihn verfällt und dass Herr von B. es dort leichter hat, Truppen zusammenzuziehen und unter dem Vorwande, dem durch die Österreicher verursachten panischen Schrecken zu begegnen, Kriegs- und Mundvorräte anzuhäufen; er hat damit alle in diesen Gegenden stehenden Mannschaften zuverlässig und treu, auch hoffte er, wofür er allerdings nicht einstehen kann, Daß sich in kurzer Zeit noch andere um den König scharen werden, Auf Grund aller dieser Überlegungen haben wir uns also für Montmèdy entschieden, von wo wir, wenn die von Ihnen vorhergesehenen Umstände uns wirklich zum Verlassen dieser Grenze zwingen, uns mit unseren Truppen über Elsaß in die Nachbarschaft der Schweiz zurückziehen können. Unsere Flucht soll bei Nacht stattfinden, wir wollen dann nur mit unseren Kindern und in einem einzigen Wagen nach unseren Zufluchtsort reisen: Monsieur, Madame und Elisabeth sollen zusammen aus dem Luxenbourg entfliehen und die Straße nach Valenciennes einschlagen: Frau von Tourzel und Herr Brissac oder Herr von Villequier werden uns zu Wagen begleiten, Herr von Briges uns voran reiten. Daß das Gelingen dieses Planes von seiner Geheimhaltung abhängt, haben wir noch niemand von ihm unterrichtet, nicht einmal die genannten Herren, die wir erst im Augenblick der Abfahrt verständigen werden. Wir haben uns einen fremden Wagen Beschafft, den keiner von unseren Leuten kennt und keiner von Ihnen wird in das Geheimnis gezogen.
Sie kennen den Stand unsere Unterhandlungen mit Spanien und der Schweiz. Ehe wir nicht etwas Sicheres über die Absichten dieser Mächte und des Kaisers wissen, wollen wir nichts unternehmen, Die antworten der beiden Erstgenannten will ich Ihnen sogleich nach ihrem Einlauf mitteilen. Wir sind, mit einem Worte, entschließen, nichts zu überstürzen. Wie wollen liebe ein Jahr länger gefangen und dafür des Entkommens sicher sein, als Gefahr laufen, zurückgebracht werden.
Der König beschäftigt sich gegenwärtig mit der Vorbereitung des Minifestes, das er von seinem Zufluchtsort aus unbedingt sofort veröffentlichen muss. Er muss darin zunächst die Gründe seines Entweichens anführen, seine Verzeihung dem nur irregeleiteten Volk aussprechen, es durch den Ausdruck seines Wohlwollens in schmeichelhaften Wendungen wieder für sich gewinnen und von der gewährten Verzeihung bloß die Häupter der Aufständischen und der Stadt Paris ausnehmen, desgleichen alle Aufrührer, die bis zu einer bestimmten Frist nicht die Waffen niedergelegt hätten. Ebenso muss er die Parlamente wieder als bloße Gerichtshöfe ohne irgendwelchen Einfluss auf die Verwaltung und die Finanzen einsetzen. Wir sind endlich entschlossen, die Erklärung vom 23. Juni zur Grundlage der Verfassung zu machen, mit einigen Abänderungen, die sich aus den Umständen und aus den Ereignissen mit Notwendigkeit ergeben haben. Die Religion wir als einer der wichtigsten Punkte zu betonen sein. Wir beraten unter uns über die sehr schwierige Auswahl der Personen, die wir in unsere Nähe berufen wollen, sobald wir in unseren Entschlüssen wieder frei sind nach meiner Ansicht empfiehlt es sich, einen Einzelnen an die Spitze der Geschäfte zu stellen, wie es früher mit Herrn von Maurepas der Fall war. Auf diese Art wäre der König der Schwierigkeit enthoben, mit jedem Minister im besondern zu verhandeln, und die Geschäfte gingen einen gleichmäßigeren und ruhigeren Gang, Schreiben Sie mir, was Sie von diesen Gedanken halten. Der Mann ist freilich nicht leicht ausfindig zu machen, und je mehr ich nach ihm ausspähe, desto mehr Unzukömmlichkeiten finde ich an allen.
Herr de la Marck legt immer mehr Eifer und Ergebenheit für mich an den Tag. Wie er mir mitgeteilt hat, steht er mit Ihnen im Briefwechsel und wird Sie vielleicht bald auf kurze Zeit besuchen, Dann will ich ihm einen Brief an Sie mitgeben. Da er uns nach seiner lang gewohnten Art und wegen seiner engen Verbindung mit dem Herrn von Montmorin und Mirabeau, wie ich glaube, nützlich zu sein vermag so will ich, ohne ihm das geringste anzuvertrauen, doch meinen Brief so abfassen, dass er ihn, wenn er Lust hat, lesen kann. Ich will von all den Intriganten und Rebellen aller Art, mit denen wir jetzt scheinbar in Verbindung stehen, nicht erst zu reden beginnen. Unser Urteil über sie haben Wie in meinem letzten Briefe gefunden. Dort habe ich auch den Namen des Herrn Gilliers genannt. Seine Absichten sind gut, doch er ist ein Querkopf, der keinen geraden Schritt geht, Er trägt sich mit Unausführbaren und will durchaus nach Wien reisen, um den Kaiser seine Ideen vorzutragen. Ich halte ihn soviel wie möglich zurück, doch werde ich ihn vielleicht gerade wegen seines unverantwortlichen Betragens seines Weges ziehen lassen müssen. Er wäre angezeigt, in Wien vor ihn dort durch Höflichkeiten hinzuhalten. Das einzige Gute an ihm ist, dass er Sie über unsere wirkliche Lage aufklären kann, sobald er aber auf seine Plan zu sprechen kommt, werden Sie sehen dass er undurchführbar ist.
Ihr Schreiben und alles, was ich hier erfahre, machen mich sehr besorgt um die äußere Politik. Ich halte es für ausgemacht, dass die Holländer mit Preußen vereint den Kaiser in Schlesien und den Niederlanden in dem gleichen Augenblick überfallen werden, in dem er in Brabant Ruhe zu haben oder gar uns beizustehen scheint, Gleichzeitig würden dann die verbündeten Flotten von England und Holland zum mindesten unsere Inseln bedrohen und Spanien im Schach halten. Das Verhalten des Herrn von Bolz (?) und des Juden Ephraim lässt keine Zweifel an den Gesinnungen ihres Hofes gegenüber Frankreich und dem Hause Österreich übrig, Um allen diesen Plänen zu begegnen, müssten wir uns deshalb der Nordmächte versichern. Der König von Schweden hat uns wiederholt seinen guten Willen dargetan, doch ist seine Stellung derart, dass er ohne fremdes Geld nicht auskommen kann England bietet ihm solches schon seit langer Zeit an, doch her er jetzt noch die Vorteile, die ihm das Bündnis mit uns bietet, der Annahme vorgezogen. Wie es heißt, hat er sich nun an Spanien um Geld gewandt und ist bereit, sich mit Russland, dem Kaiser und der genannten Macht zu verbinden, Er wäre uns sehr viel daran gelegen, dass Spanien einschlägt, da der König sonst trotz allem auf das englische Angebot eingehen konnte, Der Kaiser und selbst die Kaiserin scheinen uns freundlich gesinnt; wenn sich nun die Kaiserin, wie ich annehme, mit dem Beweise ihres Übergewichtes über die Hohe Pforte zufrieden stellt und mit der Türkei Frieden schließt, so müsste man unverzüglich über den Abschluss eines Bündnisses zwischen dem Reich, Spanien, Russland und Dänemark verhandeln (denn die beiden letzteren vermögen für sich allein nichts gegen England und müssen unfehlbar dem Beispiel der beiden Hauptmächte folgen), um sich den Plänen Preußens, Hollands und Englands entgegenzustellen, Diese Allianz ist mit allen möglichen Mitteln zu betreiben, man muss den Mächten zu verstehen geben, dass es im Sinne einer oder der anderen unter ihnen gelegen sein kann, Frankreich zu erniedrigen und seine Einfluss zu verringern, doch dass sein gänzlicher Untergang oder seine Zerstückelung niemals zu den Grundlagen einer europäischen Politik gehören können. Die gegenwärtigen Ereignisse geben ferner, wenn Sie ungestraft bleiben, ein gar zu böses Beispiel ab. Unsere Sache ist die gemeinsame Sache aller Könige und mehr als eine politische Gelegenheit. Allein, wir haben weder hier noch an irgend einem auswärtigen Hofe einen Minister, dem wir uns anvertrauen könnten, Ihre Klugheit. Herr Graf, und dem uns stets versicherten guten Willen meines Bruders vertrauen wir diese wichtigen Verhandlungen mit dem Norden an. Die mit Spanien sind noch weit schwieriger zu führen; es wäre sehr zu wünschen, dass der Kaiser oder seine Gemahlin über diese Geschäfte in eigener Person mit dem dortigen Hofe unterhandeln könnte. Doch stehen sie dazu genug miteinander? Gerade das weiß ich nicht. Wir haben hier allerdings ihren Gesandten in unserer Nähe, der an unseren Geschicken eifrigen und warmen Anteil nimmt. Doch kennen Sie ihn selbst: er kann, von seiner Persönlichkeit ganz abgesehen, keinen anderen Ton einschlagen, als sein Hof ihm vorschreibt, und es wir ihm dabei niemals gelingen, die Absendung einer Antwort zu beschleunigen oder aus der den Spaniern eigenen Trägheit herauszugehen. Es bleibt also nur Herr von Vauguyon übrig, der zwar mehr königlicher Minister ist, aber trotzdem unmittelbar in unserem Namen unterhandeln könnte. Der König möchte seine Hilfe sehr gerne umgehen, doch glaube ich, dass derselbe hinterhältige Geist, der ihn, aller Welt zum Trotz und nur auf den ausdrücklichen Willen des König Karl hin, zu seinem Verbleiben am spanischen Hofe bewegt, ihn auch dazu befähigen wird, sich in der Hoffnung, dadurch wieder eine Stellung zu erlangen, für uns einzusetzen und unter Umständen die günstige Stimmung Spaniens dafür ausnützen. Wir würden dann mit ihm durch den Baron Breteuil verkehren, an den wir Briefe in zuverlässiger Weise befördern können.
Hier geht man daran, an alle auswärtigen Höfe neue Gesandte und Minister zu entsenden. Es wäre sehr wünschenswert, dass sie von sämtlichen Mächten und den deutschen Fürsten mit ihnen zurückgewiesen oder wenigstens so streng beobachtet würden, dass man sich ihrer bei der geringsten Bewegung entledigen könnte, Das wäre für die Ruhe ihres Aufenthaltsortes ebenso wichtig, wie uns damit ein großer Dienst erwiesen würde. Denn ich halte es für ausgeschlossen, dass irgend ein Herrscher einen solchen Minister empfangen könne, dem der König kein Vertrauen schenkt und der sich, als Gesandter des „König der Franzosen“ vorstellt, also solch einen Titel beruft, unter dem uns die anderen Mächte bisher nicht anerkannt haben. Der König von Schweden hat bereits eine förmliche Erklärung in diesem Sinne gegeben und Spanien scheint, allerdings mehr im geheimen, dasselbe zu beabsichtigen. Wer nach Wien kommen soll, weiß ich noch nicht – vielleicht der Graf Ségur: er wäre der würdige Mann der Ständeversammlung. Doch hoffe ich, daß der Kaiser weder diesem noch irgend einem anderen gegenüber vergessen wird, daß dieser Gesandte weder der Vertreter seines der Freiheit beraubten Schwagers noch seiner Schwester ist und dass er ihn als solchen anerkennen noch überhaupt empfangen wird. Solange der König seine Freiheit nicht zurückerlangt hat, kann der König seine Freiheit zurückverlangt hat, kann er keinen dieser mit Zwang begleiteten Vorschläge zurückweisen. – Herr von Blümdorf hat mir soeben eine Nachricht des Wiener Kabinetts vom 27. Januar übersandt, durch die mich der Kaiser davon verständigt, daß er einen Empfang des Grafen Artois und des Herrn von Galonne abgelehnt habe, Gleichzeitig spricht mein Bruder darin seine Billigung unseres Verhaltens aus, doch ist der Brief etwas seltsam abgefasst. Er rät mir darin ab, „irgend einen entscheidenden Beschluss in absehbarer Zeit zu fassen“ so daß ich fürchten muß, erwolle seine Hilfe allzu lange aufschieben. Statt dessen wird unsere Lage von Tag zu Tag unerträglicher, denn die gänzliche Untätigkeit, zu der wir verurteilt sind beschleunigt das Tempo der Aufwiegler immer mehr und erniedrigt uns von Tag zu Tag. Je länger man jetzt noch zaudern will, desto fester wird dann ihr Werk gefügt sein. Schon spricht man davon, daß die Herzöge von Deur-Pontes und von Würtenberg mit ihnen Unterhandlungen pflegen. Ihr böses Beispiel kann dann noch andere verderben, und liegt denn die Befürchtung nicht nahe, daß das Leid Frankreichs ausbreitet, wenn man diese Saat noch länger keimen lässt! Sie müssen diese Gefahr am besten kenne, denn nach meinem Dafürhalten kann Brabant niemals zur wirklichen Ruhe kommen, solange Frankreich in seinem gegenwärtigen Zustand der Auflösung aller Gewalten und der bürgerlichen Unruhen befindet, Ich habe Ihnen bereits früher einiges von diesem Gedanken mitgeteilt und Ihnen seine nähere Ausführung versprochen: Verfertigen Sie bitte eine Abschrift von allem, was Ihnen in meinem Briefe wichtig erscheint und senden Sie sie durch einen Kurier nach Wie, der ohne Verzug mit einer Antwort zurückkehren soll. Denn ich möchte gerne, daß der Kaiser unsere Schritte kenne und billige und glaube, daß man, wenn überhaupt, spätestens im April handeln muß.
Bewahren Sie diesen Brief solange wie möglich auf und verbrennen Sie ihn, sobald Sie davon nach Ihrer Meinung einen hinreichenden Gebrauch gemacht haben.-
Die Person, die Ihnen die Schachtel überbringen soll hat sich verspätet, und ich sende Ihnen den Brief durch einen anderen zuverlässigen Boten. Vergessen Sie nicht, mit seinen Empfang sogleich zu bestätigen, desgleichen von der Schachtel, die Sie erst zu Beginn der nächsten Woche erhalten können. Herr Goguelat, dessen Namen ich Ihnen gegenüber schon mehrfach erwähnt habe, wird Ihnen einen Schlüssel zu Chiffren übergeben. Wir wollen uns ihrer nur zu den wichtigsten Angelegenheiten bedienen, die ich Herrn von Blümdorf nicht anvertrauen möchte. Herr Gogu. Weiß nichts Genaues und soll es auch nicht erfahren. Er ist nichts als zuverlässiger Mensch, Offizier des Generalstabes und sehr verständig, Sie können mir durch ihn jede beliebige Antwort zukommen lassen, auch ohne Chiffren, nur umgehen Sie in dem Brief meinen Namen.
Wir haben uns doch entschlossen, Herrn von Vauguyon gegenüber Spanien zu verwenden.
Falls Sie aus Paris Koffer mit Kleidungsstücken erhalten sollten, die an meine Schwester aufgegeben sind, behalten Sie sie bitte und senden Sie sie uns später an den Ort nach wo wir ihrer bedürfen werden.
Leben Sie wohl, Sie werden aus kleinen Unterschieden in der Schrift erkennen, daß ich diesen Brief wiederholt beiseite gelegt und wieder fortgesetzt habe, doch sind meine Gefühle für Sie, die der Hochachtung und der mein Leben lang entgegengebrachten Freundschaft immer (wie zu allen Zeiten!) die gleichen geblieben