Rosalie Lamorliére, ein Kammerzofe,
berichtet, wie sie die Königin in der Conciergerie bediente:
Am 1. August 1793 sagte Madame Richard
am frühen Nachmittag, leise zu mir: „Rosalie, heute nach werden
wir nicht zu Bett gehen; Sie werden auf einem Stuhl schlafen; die
Königin soll vom Temple in dieses Gefängnis überführt werden.“
Und alsbald sah ich, wie sie Anweisung gab, General Custine aus dem
Zimmer des Rates zu entfernen, um dort die Königin unterzubringen.
Eiligst wurde ein Schließer zum Möbelhändler des Gefängnisses
geschickt (Bertraud, wohnhaft Cour de la Saint Chapelle), um ein
Gurtbett, zwei Matratzen, Ein Kopfkissen, eine leichte Decke und
einen Nachtstuhl zu holen.
Diese wenigen Möbel wurden in das
feuchte Zimmer, das Monsieur de Custine aufgab, gebracht; ein
gewöhnlicher Tisch und zwei Stühle aus dem Gefängnis wurden dazu
gestellt. So sah die Einrichtung aus, die dazu bestimmt war, der
Königin von Frankreich zu dienen.
Gegen drei Uhr morgens war ich in einem
Sessel ein geschlummert; plötzlich weckte mich Madame Richard in die
ehemalige Zelle von Monsieur du Custine, die im äußersten Ende
eines langen finsteren Korridors lag. Die Königin war schon gebracht
worden. Viele Gendarmen standen draußen vor der Tür. Mehrere
Offiziere und Beamte standen im Inneren des Zimmers und sprachen
leise miteinander. Der Tag brach an
Anstatt die Eintragung der Königin in
die Gefangenenliste in der Kanzlei links vom ersten Vestibül
vorzunehmen, erfolgte sie in der Zelle. Als diese Förmlichkeiten
erfüllt war, entfernten sich alle, und Madame Richard und ich
blieben allein bei der Königin. Es war heiß. Ich bemerkte die
Schweißtropfen, die der Königin vom Gesicht rannen. Sie wischte sie
zwei- oder dreimal mit dem Taschentuch ab. Ihre Augen betrachteten
mit Erstaunen die entsetzliche Kahlheit des Zimmers; sie richteten
sich auch mit einiger Aufmerksamkeit auf die Hausmeisterin und mich.
Danach stieg die König auf eine mit Stoff überzogenen Fußbank, die
ich aus meinem Zimmer geholt hatte, hängte die Uhr an einen Nagel,
denn sie in der Mauer entdeckt hatte, und begann sich zu entkleiden
um zu Bett zu gehen. Ich näherte mich respektvoll und bot der
Königin meine Dienste an. „Ich danke dir, liebes Mädchen“, antwortete sie ohne Verstimmung oder Stolz, „seitdem ich niemand
mehr habe, bediene ich mich selbst.“
Während der ersten vierzig Tage hatte
ich bei der Königin nichts zu tun. Ich ging nur mit Madame Richard
oder deren Mann hin, um das Frühstück zu bringen, das um neuen Uhr
serviert wurde, sowie das Mittagessen, das man gewöhnlich um zwei
oder halb drei Uhr auftrug. Madame Richard deckte den Tisch, und ich
blieb aus Bescheidenheit an der Tür stehen. Aber Ihre Majestät
geruhte, Notiz von mir zu nehmen, und tat mir die Ehre an zu sagen:
„Kommen Sie doch näher, Rosalie, haben Sie keine Angst!“
Einmal brachte Madame Richard ihr
jüngstes Kind in die Zelle mit. Es war blond, hatte sehr hübsche
blaue Augen und ein reizendes Gesicht, das einen viel höheren Stand
entsprach. Es wurde Fanfan genannt.
Als die Köngin den hübschen kleinen
Jungen sah, fing sie an zu zittern; sie nahm ihn in die Arme bedeckte
sein Gesicht mit Küssen, liebkoste ihn und begann zu weinen. Sie
sprach dabei vom Dauphin, der ungefähr im gleichen Alter war; sie
dachte Tag und Nacht an ihn. Das bereitete ihr schrecklichen Kummer.
Als wir wieder hinausgegangen waren, sagte Madame Richard zu mir, sie
würde sich wohl hüten, ihren Sohn wieder mit in die Zelle zu
nehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen