27. Februar 2008

Das Pariser Parlament im Regime Ancien







Das Pariser Parlament ist gegen Ende des 13. Jahrhunderts von der Curia regis abgespalten worden. Ursprünglich Gerichts- und Pairshof (Curia in parlamento), brachten es die Häufung der Streitfälle und Vervollkommnung der Prozeßverfahrens mit sich, dass neben dem Geburtsadel juristische Fachleute ins Parlament gelangten, aus denen sich im Laufe der Jahrhunderte die „Noblesse de robe“, der Amtsadel konstituierte, der durch die Ausstattung mit verschiedenen Privilegien (Erblichkeit, Einahmen aus dem Amt usw.) schließlich dem Geburtsadel an Ansehen und Reichtum gleichkam.
Die richterliche Zuständigkeit des Pariser Parlaments war unbegrenzt; sie bezog sich sowohl auf das private Zivil- und Strafrecht wie auf das öffentliche Recht und erstreckte sich auf das ganze Königreich. Es war in drei Kammern eingeteilt. 1. La grand-Chambre, 2. La Chambre des Requetes und 3. La Chambre des Enquetes. Der Vorsitzende des Parlaments (der Generalprokurator) war der Kanzler und Großsiegelbewahrer, das heißt der Justizminister.
Nach dem Vorbild des Pariser Parlaments gab es für jede Provinz einem Provinzparlament. Vor 1789 waren es insgesamt 13.
Das Pariser Parlament konnte „Verordnungsurteile“, das heißt Gesetze mit vorläufiger Wirkung erlassen, Darüber hinaus gewann es politische Bedeutung dadurch, dass es die Befugnis hatte, alle königlichen Erlasse einzuregistrieren. Diese Befugnis beruhte ursprünglich auf einer ausdrücklichen Verleihung durch den König, der damit nur die lückenlose und unverfälschte Erhaltung seiner Gesetze garantieren wollte, Um sicher zu sein, dass seine Erlasse nicht womöglich früheren zuwiderliefen, befahl er dem Parlament, Im Zweifelsfällen „Vorstellungen“ (Remonstranzen) zu erheben. Aus diesem Remonstranzrecht leitete das Parlament schließlich die Überzeugung ab, ein königlicher Erlass erhalte erst durch die Registrierung in den Gerichtsakten Gesetzeskraft und das Parlament wache über die Unantastbarkeit der ungeschriebenen „Grundgesetze“ des Königreichs.
Dadurch konnte der Eindruck entstehen, als sei das Parlament die einzige Barriere gegen königliche Willkür (und so war es auch vielfach), also eine Art vorkonstitutioneller Beschränkung des Absolutismus. So wurde das Parlament auch vielfach vom Volk angesehen, obwohl es unter Ludwig XVI. ein Hort der Reaktion war und die Rechte der Privilegierten gegen die Reformbestrebungen verteidigte, Gegen das Remonstranzrecht des Parlaments konnte der König im Lit-de-justice-Verfahren die Registrierung seiner Erlässe erzwingen, Es kam aber dann vor, dass das Parlament aus Protest die Rechtsprechung einstellte und die Parlamentsräte ihren Rücktritt anboten. Darauf konnte aber die Regierung nicht eingehen, weil sämtliche Ämter (das zeitweise eine höhere Einnahmequelle für den Staat als die Steuern war Nota bene alle Ämter, nicht nur die des Parlaments), die Parlamentsräte also Gläubiger des Staates waren und der König die für die Ämter gezahlten Summen nicht zurückbezahlen konnte. Meist kam es dann zu einem Kompromiss zwischen der Krone und dem Parlament.
Unter Ludwig XIV. wurden dem Parlament seine politischen Befugnisse genommen und es auf die reine Rechtsprechung beschränkt. Der Regent Philipp von Orléans gestand ihm das Registrierungs und Remonstranzrecht wieder zu, weil er es brauchte, um das Testament Ludwig XIV. annullieren zu können. Unter Ludwig XV. wurde das Pariser Parlament von Maupeou 1770/71 durch mehrere Gerichtshöfe ersetzt und die Räte verbannt, aber Ludwig XVI. stellte zu Beginn seiner Regierung das Parlament wieder her und verurteilte seine Reformbestrebungen damit selbst zum Scheitern.


Text von Jaques Levron aus dem Buch - Ludwig der XV.