13. April 2008

Die Schlacht bei Dürnkrut



Der Untergang König Ottokars.
Teil 2


Ottokar ist mit seine Truppen fast doppelt so stark wie Rudolf mit seinen 300 Steirern, Elsässern und Schwaben, die ihnen entgegenstehen. Die einen, den Sieg knapp vor Augen, hauen und stechen mit furchtbarer Wucht, die anderen wissen, daß alles verloren ist, wenn sie jetzt nicht standhalten, wehren sich vebissen und mit dem Mut der Verzweiflung. Sind die Lanzen alle gebrochen und ist kein Knappe mehr da, um eine neue zu reichen, dann greifen sie zum Schwert und hauen drein, so gut sie eben können, und manch einer, dem auch das Schwert aus der Hand geschlagen oder zerbrochen ist, verteidigt sie sich mit dem Misencord*.
König Rudolf ist mitten unter den Seinen. Trotz seiner 60 Jahre scheut er nicht die Gefahr und kämpft wie ein gewöhnlicher Ritter. Mitten im Schlachtgetümmel erkennt ihn einer von seinen Gegner. Es heißt, Ottokar habe einen Mann gedungen, um den Habsburger zu töten. Der Unbekannte drängt sich durch das Gewühl der Kämpfer in Rudolfs Nähe und beginnt auf ihn einzuschlagen. Der König, ein erfahrerener Streiter, ein „miles emeritus“*, wehrt sich efolgreich, sein Pferd aber wird durch einen Lanzenstich tödlich getroffen. Kopfüber fällt er aus dem Sattel mitten hinein in den Weidenbach, von dort kann er sich aus eigener Kraft nicht mehr erheben, die schwere Rüstung drückt in nieder. Mit dem Schild deckt sich der Verunglückte, so gut er eben vermag, gegen die Hiebe des Angreifers und die Hufe der Schlachtrosse, die über ihn hinweggaloppieren, Verzweifelter hätte seine Lage nicht sein können: Sein Heer in höchster Bedrängnis, er selber in akuter Gefahr, entweder erschlagen oder zu Tode getrampelt zu werden. Wieder hängt sein Schicksal an dem sprichwörtlichen seidenen Faden, und wieder hat er auch das sprichwörtliche Glück des Tüchtigen. Walter von Ramswag, ein Ritter aus dem Thurgau, sieht den König wehrlos im Bach liegen. Er kämpft sich zu ihm durch, und es gelingt ihm, ihn aus dem Kampfgetümmel zu zerren und auf ein frisches, ausgeruhtes Pferd zu setzten, mit dem er sich alsbald wieder am Kampf beteiligt. Dem Ramswager wird der König diese Heldentat nie vergessen und stets des jungen Riters in Dankbarkeit gedenken.
Rudolf mit eigenen Worten:
„uns uf hub uss dem bache, da wir nidergeschlagen lagent, da mit er uns des lebens gehalf ..“
Die Schlacht jedoch ist durch diese Helden Stück des Thurgauischen Ritters längst nicht gewonnen, Immer noch kämpfen Rudolf und seine Mannen verzweifelt gegen die feindliche Übermacht an. Doch Ottokar zögert und wirft sein drittes Treffen nicht in die Schlacht. Die Polen und Schlesier kommen den deutschen Gästen nicht zu Hilfe, die allmählich müde werden vom stundenlangen Fechten in Staub und Sonnenglut.
Und nun bricht aus den Hügeln des Hochfeldes der lange Ulrich von Kapellen hervor, den Rudolf in weiser Voraussicht, als Verstärkung bereitgestellt hat. 60 verdeckte Rosse und wohl der die vierfache Zahl an Leichtbewaffneten, eine verhältnismäßig kleine Schar nur, aber frisch und ausgeruht. Wie es ihnen Rudolf befohlen hat, stellen sie sich nicht zum frontalen Kampf, sondern fallen Ottokars Ritter in die rechte Flanke und richten unter ihnen furchtbare Verwirrung an. Die Angegriffenen sind gewohnt, mit dem Gegener Auge in Auge zu kämpfen, nicht hinterrücks überfallen zu werden. Durch die schmalen Sehschlitze ihrer unförmigen Topfhelme haben sie nur ein äußerst beschränktes Gesichtsfeld nach vorne und können so nicht erkennen, wie schwach diese letzten Reserven Rudolfs sind, die ihre Attacke, das muß man zugeben, mit unerhörtem Elan und Bravour reiten. „Wie ein Tuch mit einer Schere“ spalten sich Ottokars Reihen, die alsbald in Panik geraten ob des neuen, unvermuteten Gegners, den sie nicht sehen können, wenn er sie hinterrücks anfällt. Da hört man inmitten der Schmerzensschreie von Mensch und Kreatur eienn Ruf, der auch das Kampfgebrüll und das Geklirre der Schwerter zu übertönen vermag: „Sie fliehen, sie fliehen“ Rudolfs Gefolgsleute stoßen ihn aus, als sie sehen, daß einige der „deutschen Gäste“ ihre Schlachtrosse wenden und in RichtungNorden sprengen, gegen Jedenspeigen zu.
„Sie fliehen, sie fliehen!“ Der Ruf pflanzt sich fort über das anze Schlachtfeld, und war er anfangs vielleicht nur als Kriegslist gedacht, so ist er jetzt rauche, blutige Wirklichkeit.
Ottokars Reihen lösen sich auf, in wilder Flucht stürmen sie nach Norden, dem Lager zu, wie eine gealtige Flutwelle, die alles mit sich fortspült. Sie begegenen den polen und Schlesiern aus dem dritten Treffen, frische, ausgeruhten Truppen, auch Böhmen unter dem grimmigen Milota, ehmals Landeshauptmann der Steiermark, sollen dabeigewesen sein. Sie schließen sich den Flüchtenden an, anstatt zu kämpfen, werden wohl auch hineingerissen in diesen gealtigen Strudel von Tod und Verderben. Nordostwärts streben sie, denn im Nordwesten wissen sie die Kumanen und baut sich zudem der steile Goldberg als Hindernis auf. Schon gellt ihnen das Geschrei der Verfolger in den Ohren, Vielleicht können sie sich jenseits der March in Sicherheit bringen, der Fluß führt ja nicht allzuviel Wasser um diese Jahreszeit, Doch ihre Pferde , müde und verwundet, sind dieser gewaltigen Strapaz nicht mehr gewachsen. Sie brechen ein, werfen ihre Reiter ab, die in ihren schweren Rüstungen wie Steine im Wasser versinken. Angeblich zu Tausenden ertrinken sie, „wie die Ägypter im Roten Meer“, ein bibelfester Chronist hat diesen anschaulichen Vegleich gewagt. Die March färbt sich rot vom Blut der Gefallenen und Verwundeten.
König Ottokar ist gefallen, sein Leichnam entkleidet und geschunden von den Mördern achtlos liegen gelassen, zogen sie ihn aus bis auf das letzte Hemd. Nackt und entstellt lag de Tote auf der bloßen Erde, umringt von gaffenden Schaulustigen, verspottet und verhöhnt von denen, die einst auf Knien vor ihm gekrochen waren.
In der Morgenfrühe des nächsten Tages führte man Ottokars Leichnam vom Schottenkloster zu den Minoriten. Stumm schritt die Wiener Geistlichkeit hinter der Bahre einher, ein düsterer, schweigender Zug ohne Glockengeläut und feierliche Gesänge, denn man geleitete die sterbliche Hülle eines Gebannten. Im Kreuzgang der Minoriten wurde der Tote öffentlich zur Schau gestellt. Niemand sollte je behaupten können, er sei gar nicht tot und werde später einmal wieder kehren, so wie es das Volk von Kaiser Friedrich glaubte, dem Staufer, der im fernen Apulien Anno Domini 1250 gestorben war.
Aus heutiger Sicht betrachtet war die Schlacht bei Dürnkrut die größte kontinentale Ritterschlacht aller Zeiten.

*Misencord - langes, dolchartiges Messer abgeleitet vom lateinischen Wort „misericordia“, Erbarmen, Mitleid,
miles emeritus* - altgedienter Ritter

Entnommen der Biographie Rudolf I. von Johann Franzl

Vor dem Wiener Stephansdom bittet der junge Wenzel, Rudolf von Habsburg um den Leichnam seines Vaters Przemysel Ottokar