26. Oktober 2010

Petit Trianon II. – par ordre de la reine


Im Palais herrschte dieselbe Eleganz und, um mit dem Prince de Ligne zu sprechen, die selbe Richtigkeit. Man gelangt über eine breite Freitreppe hinauf und betritt mit Pfeilern versehene Terrassen. Eine Tür führt in den Hausflur, wo Eichengewinde längs der Wände verlaufen. Ein Medusenhaupt scheint Lästigen den Zutritt zu verwehren. Für die anderen, Bevorzugten, öffnet sich eine geräumige Stiege mit breiten Steinstufen und vergoldeten Geländer, wo sich Lorbeerzweige um den Namenszug der Göttin dieser Stätte schlingen. Im Mittelpunkt schaukelt sich eine wundervolle Laterne, gebildet von Pfeilerbündeln und ländlichen Attributen mit zwölf von kleinen sitzenden Satyren gehaltenen Lichtern.
Aus dem auf der Höhe der Treppe sich öffnenden Vorgemach gelangt man in den Speisesaal, dessen herrlich geschnitztes Getäfel auf allen Seiten eine Reihe von feinen Arabesken, Köchern, Pfeilen, Blumengewinden, Lorbeerzweigen, Sphinxe und Fruchtkörbchen bietet; Pan-Böcke mit von Weinlaub starrenden Barte stützen den Kamin aus blauem Marmor. In der Mitte des Gemaches befindet sich der von Loriot für Louis XV. gefertigte Tisch, der mittels einer im Fußboden angebrachten Falltür vollkommen gedeckt herauf gelassen wird und dessen vier „Aufwärter“ das geschäftige Treiben der Bedienten ersetzen und deren lästige Blicke hintanhalten.
Nach dem Speisesaal kommt der Kleine Salon, geschmückt mit Weintrauben, Larven, Zithern und Pauken. Im großen Salon beleben lächelnde, hausbackige Amore die Ecken der Karniesen, während an den Wänden Lilienzweige und Lorbeerkränze sich entfalten. Die Zimmereinrichtung ist aus karminroter, goldbesetzter Seide. In der Einsetzrose, die so zart und leicht ist, daß ihr Blüten- und Fruchtwerk wie auf die Decke hin gehaucht erscheint, hängt ein Glasluster, der in tausendfachen Feuer schimmert. Im Umkleidezimmer fangen zwei nach Belieben aus dem Fußboden hervor ziehbare bewegliche Spiegel das Licht auf und verdecken die Fenster; oberhalb ist eine kleine, 1780 in das Halbschoß hinein gebaute Bibliothek, seitwärts das Badezimmer, wo sich das Wasser in eine Wanne aus weißem Marmor ergießt.
Ein kleines Boudoir mit geschnitzten Dreifüßen, Füllhörnern, aus Rosennestern ruhende Tauben, lilienbesetzten Schilden und dem Namenszug M.A., den unschädliche Pfeile durchziehen und Gänseblümchen umrahmen, führte in das Zimmer der Königin, dessen blauseidene Einrichtung – blau steht den Blondinen so gut an* - mit Eiderflaum bequem ausgefüttert, dessen Bett unter Spitzen vergraben ist, dessen Vorhänge von mit Perlen- und Silberfransen besetzten Schleifen zusammengehalten werden. Ein Mohnblumengewinde umgibt den Plafond, und auf dem Kamin steht eine Pendeluhr, auf der sich der österreichische Doppeladler zu Schäferstab und Schäferhut gesellt, als Zeichen der glücklichen Stunden der Beherrscherin dieser Stätte.

*"Marie Antoinette" Bd 1, S. 234, Rocheterie Maxime
"Le Petit Trianon"
"La vie parisienne sous Louis XVI."

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