31. März 2008
Breguet und die Uhr der Königin
Das Schloss Versailles ist ein kostspieliges Bijou der französischen Nation. Schon nur der Unterhalt kostet jährlich 31 Millionen Euro, weshalb für großangelegte Renovationen Finanzspritzen privater Firmen willkommen sind. Vor kurzem investierte die Vinci-Gruppe 12 Millionen Euro, um dem berühmten Spiegelsaal neuen Glanz zu verleihen. Nun will die Schweizer Uhrenfirma Breguet mehrere Millionen stiften, damit das kleine Trianon aufgefrischt werden kann.
Dieses Schlösschen mit Flachdach und griechischen Säulen ließ einst Ludwig XV. für seine Favoritin, Madame Pompadour, bauen. Sein Nachfolger Ludwig XVI. schenkte es seiner Gattin, der Königin Marie-Antoinette. Ihre arrangierte Ehe war allerdings unglücklich. «Ein unbekannter Bewunderer bestellte für sie eine Taschenuhr als Einzelstück, zweifellos die komplexeste Uhr der Welt», erzählt Nicolas G. Hayek. Dieser Unbekannte bestellte die außergewöhnliche Uhr 1783 bei Abraham-Louis Breguet. Der Neuenburger hatte sein Geschäft 1775 in Paris eröffnet und war innerhalb der Aristokratie schnell für seinen Erfindergeist und sein Können ein Begriff. Seine Feinmechaniker arbeiteten aber 43 Jahre lang an der Realisierung dieser Taschenuhr mit automatischem Aufzug, unabhängigem Sekundenzeiger, Wochentagsanzeige und einer besonderen Ankerhemmung.
Die Platinen, Brücken und alle Teile des Lauf-, Repetitions- und Kalenderwerks waren aus geschliffenem Rotgold; das Gehäuse strahlte in Gelbgold. Ein weiteres Kennzeichen dieser Uhr war ihre durchsichtige Vorder- und Rückseite aus Bergkristall. Nachdem die Uhr mehrmals den Besitzer gewechselt hatte, stahl sie jemand 1983 im L. A. Mayer Museum für Islamische Kunst in Jerusalem. Inzwischen ist die Uhr wieder aufgetaucht und im Museum in Jerusalem ausgestellt.
Marie-Antoinette ruhte sich nämlich gerne unter einer hohen Eiche im Garten des Trianons aus. Der über dreihundertfünfzigjährige Baum fiel aber der Hitzewelle von 2003 zum Opfer und musste gefällt werden. Gleichzeitig feierte Breguet im Schloss Versailles den 200-jährigen Geburtstag der Erfindung des Drehgestells durch Abraham-Louis Breguet: Deshalb begann eine Art Liebesgeschichte zwischen Hayek und Versailles: Aus dem Holz der Eiche soll das Kästchen für die neue «Marie-Antoinette» geschnitzt werden, und auch das Renovationsprojekt kam so zustande. «Versailles, das ist unsere Geschichte, unser Erbe», begründet Hayek diese Investition.
Es sei legitim, sich näher dafür zu interessieren. «Breguet verkehrte am Hof. Er war der Uhrmacher der Könige und Königinnen, und Versailles ist das Symbol der Perfektion und der Kreativität. Versailles und Breguet stehen sich also sehr nahe», betont Arlette-Elsa Emch, Mitglied des Verwaltungsrates von Breguet und Leiterin des Renovationsprojektes. Wie viel Breguet in die Renovation der Tapisserien und der Tapeten, des Belvédère und des Pavillons des kleinen Trianons investiert, will weder sie noch Hayek sagen. Auch der zukünftige Preis der «neuen» Marie-Antoinette könne noch nicht beziffert werden, da ihre Fabrikation zwei bis drei Jahre dauern könne. Das 1983 in Jerusalem gestohlene Original wurde mit Einbeziehung zeitgenössischer Technologien exakt nachgebaut. Übrigens spielte Hayek mit dem Gedanken, eine große Summe als Belohnung für Informationen auszusetzen, die das Original ans Tageslicht bringen sollte.
Die Belohnung hat anscheinend Ihre Wirkung gezeigt und das Original ist nach fast 25Jahren des Verschwundensein wieder öffentlich in Israel zu bewundern. Ihr Wert wird mittlerweile auf über 10 Millionen Dollar geschätzt. Da war die Belohnung für den unbekannten, reichen Besitzer nur eine kleine Herausforderung.
Autor:
Tourbillon Magazin - Ester Elionore Haldimann, Paris
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