Spoughton, den 4. Mai 1773
Zweifellos glauben Sie daß ich vergessen habe, mein lieber Lauzun, weil ich Ihnen lange nicht schrieb. Ich schwöre Ihnen, es ist nicht meine Schuld. Ein Mädchen, das Sie mit Ihrer besonderen Aufmerksamkeit beehrt haben, wird der Gegenstand der Aufmerksamkeit ihrer Eltern und wird auf Schritt und Tritt bewacht.
Feder und Tinte verweigert man mir. Nicht aus Mißtrauen, wie meine Mutter sagt, aber der größeren Sicherheit halber. Anstatt zu schlafen, schreibe ich Dir und bringe damit wahrlich kein Opfer. Denn, wem könnte ich von meiner lächerlichen Lage erzählen, und wer könnte sie besser verstehen als Lauzun? Ich habe einen Anbeter, der nicht, wie Du, die Ungeschicklichkeit besitzt, verheiratet zu sein. Sir Marmeduke legt mir ein ungeheures Vermögen und, was schlimmer ist, eine ungeheure Person zu Füßen. Er will, daß ich ihn liebe; und das finde ich ein wenig über meine Kräfte gehend. Ich will Dir also meine neue Eroberung beschreiben und Du sollst sehen, ob sie Dir ähnelt.
Sir Marmeduke ist nicht größer als eins der alten Fauteuils, die sich in unserem Zimmer in Bristol befanden, in demselben Zimmer, wo Du so gut empfangen worden bist. Er ist sehr dick, was vorläufig nur unangenehm ist; später aber, wenn er nur ein wenig zunimmt, könnte es sehr merkwürdig wirken. Er ist außerordentlich blond. Kleine dicke, geschwollene Beine tragen in schwerfällig in meine Nähe und lassen ihn leider sehr lange hier verweilen. Diese ungeheure Fleischmasse trinkt viel Portwein, jagt den Fuchs und hält Rennpferde, ganz wie Du. Er versichert mir, das alles würde mich sehr unterhalten. Mit einem Wort: er ist sehr nett, und wenn er in London leben will, heirate ich ihn. Du brauchst Dich nicht darüber zu ärgern, denn Du verlierst ja nichts in einem Vergleich.
Wenn ich aber in der Provinz leben muß, bin ich die Dienerin Sir Marmedukes und bleibe Dir treu. Ich, jung, hübsch, verrückt auf alles, was liebenswürdig ist, gewöhnt an die Huldigungen alles eleganten und begehrenswerten Männer von ganz London, die Frau eines „Hunters“! Dazu bestimmt, mein Leben zwischen meinem Mann und dem alten Pfarrer der Parochie zu verbringen und darauf angewiesen zu sein, wenn ich mich unterhalten will, mit dem weniger Betrunkenen von beiden zu unterhalten: Stelle Dir Marianne vor, ihr Gesicht, ihren Charakter, ihr Wesen, und denke, ob das möglich ist!
Mein dicker Verehrer bereitet für mich ein seiner würdiges Fest vor. In vierzehn Tagen finden die Rennen von Ipswich statt. Er hat einen golden Becher anfertigen lassen, der schwerer ist als ich, und von einem Pferd gewonnen werden soll, das ihn zweitausend Louisdor gekostet hat. Er erbittert von mir die Gunst, mir diesen Becher zu Füßen legen zu dürfen.
Warum kommst Du nicht zum Rennen? ... Nein, nach reiflicher Überlegung: es ist besser, Du kommst nicht! Du würdest imstande sein, den greulichen Kerl zu töten! Warte wenigstens, bis ich seine Frau bin. Leb wohl. Fanny* schickt Dir tausend Grüße und ich, ich liebe Dich wirklich auf eine Weise, die für jedes andere Mädchen mit weniger klarem Kopfe erschreckend wäre.
duc de Lauzun:
Miß Marianne Harland war noch nicht sechzehn. Sie war klein, zierlich, hatte schönes Haar, hübsche Augen, reizende Zähne, eine Stimme wie die Gabrielli* und wußte sich ihrer auch so gut zu bedienen. Sie besaß große Gefallsucht, die stets dem Ehrgeiz untergeordnet war, eine glänzende Heirat zu machen. Das ist, glaube ich, die genaue Beschreibung des Äußeren und des Charakters Miß Marianne Harlands.
Mich gelüstete nach dem großen Goldbecher. Ich besaß in New-Market ganz gute Pferde und schickte einen der besten Renner nach Ipswich. Sein Alter, sein Name, zehn Guineen genügten, daß er angenommen wurde. Ein kleiner schwarzgekleideter Jockei befolgte genau seine Instruktionen, hielt sich bescheiden während des ganzen Rennens hinter dem Pferde Sir Marmedukes und hundert Schritt vor dem Winning Port schoß er wie ein Pfeil hervor.
Er gewann den Pokal und überreichte ihn Marianne mit einem Briefchen folgenden Inhalts:
Da Sir Marmeduke einen Augenblick zu spät anlangte, so gestatten Sie mir, seine Instruktionen zu befolgen und Ihnen den Becher zu Füßen zu legen.“
Marianne erkannte meine Schrift. „Er ist reizend“ sagte sie lachend.
*Fanny Harland, ältere Schwester von Marianne Harland
*Gabrielli, Katharina Gabrielli berühmte italienische Sängerin
20. Mai 2009
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