9. Januar 2009

Modekupfer und Pandora


Seit der zweiten Hälfte des 17. Jhdt. hatte man in Paris begonnen alle Monate einmal eine vollständig nach neuester Mode kostümierte lebensgroße Puppe nach London zu senden: „die große Pandora“ in Staatstoilette, „die kleine Pandora“ in Negligé gekleidet. Diese Puppe der Rue Saint Honoré wurde anfänglich im Hotel Rambouillet zurechtgemacht mit der gern geleisteten Hilfe der berühmten Mademoiselle de Scudéry, jener damals vielgelesenen Romanschriftstellerin, die man aus „Hoffmanns Erzählungen“ kennt. Die Puppe wanderte so regelmäßig über den Kanal, dass selbst Kriegszeiten die englischen Damen nicht der Möglichkeit beraubten, sich allmonatlich über die letzte Pariser Mode zu orientieren.
Die feindlichen Generäle erlaubten der Puppe Pandora stets, frei zu passieren, eine Galanterie, der erst Napoleon ein Ende machte. Als zu Anfang des 19. Jhdt. die englischen Damen auf den Besuch Pandoras zu verzichten gezwungen waren sahen sie sich, wie Mrs. Bury-Palliser bedauernd bemerkt, leider genötigt, sich nach eigenem Geschmack zukleiden. Mit der zeit reiste Pandora auch nach anderen Orten und formte nach ihrem Bild in Russland wie Deutschland und Italien aus der der Europäerin die Pariserin.
Die vornehmen Damen in Augsburg, Stuttgart und anderswo kleideten sich zwar französisch, aber nach vorletzter Mode! Als der Großfürst Paul von Russland 1782 in Frankfurt am Main den Adel der Umgebung empfing, da fand sein Hof, dass die Kleider der Adeligen einer Mode angehörten, die mindestens 40 Jahre als sein müsse.
Erst die „Galerie der Mode“, die in Paris von 1778 bis 1787 herausgegeben wurde, half diesem Übel ab und brachte allen Herren und Damen, die sich für Mode und Eleganz interessierten, nicht nur die neuesten Beschreibungen, sondern bis ins Detail getreue Abbildungen dessen, was in Paris getragen wurde. Das künstlerisch vollendete Modekupfer dieser Zeitschriften – von F.L.J. Watteau, Saint-Aubin, Moreau le Jeune, Dersais und Le Clerc – dienten dann den außerfranzösichen Publikationen als Vorlagen.

Illustrationen: Moreau le Jeune, Text: Max von Boehn